Großsegler vor Helgoland - kurze thematische Einführung

Großsegler - Wracks vor Helgoland
Salpeterhandel aus der chilenischen Atacamawüste nach Deutschland um 1900

Kurze thematische Einführung -

Autor: Andrea Haupt, R. Wehlisch, R.Öser

Falls of Foyers 1883
Stand: 21.03.2021
- Salpeterhandel um 1900 – Ein kurzer Überblick

Anfang des 19. Jahrhunderts begann der industrielle Abbau von Salpeternitraten in der Atacamawüste in Peru und Bolivien. Salpeter wird zur Herstellung von Düngemitteln benötigt, was große Bedeutung für die sich stark entwickelnde Agrarindustrie in Europa hatte. Auch für die Herstellung von Sprengstoff wird Nitrat verwendet, das zur Herstellung von Munition für die überall in Europa, Asien und Afrika stattfindenden Kriege wichtig war.
Chile besaß erst ab 1884, nach Beendigung des Salpeterkriegs und der Unterzeichnung des Vertrags von Valparaiso, Gebiete mit Salpetervorkommen. Danach dominierte zunächst Großbritannien mit etwa 60 % den Markt. In den nachfolgenden Jahren verschob sich der Anteil am südamerikanischen Salpeterhandel aber zugunsten der Deutschen Unternehmer, bis er 1912 fast 40 % erreicht hatte, was ein nicht nur notwendiges sondern auch sehr lukratives Geschäft darstellte und den Löwenanteil am weltweiten Salpetergeschäft zu der Zeit.
Die Hamburger Unternehmer Gildemeister, Fölsch und Sloman bauten in Iquique große Nitratanlagen auf, in denen der Salpeter aus dem abgebauten Gestein ausgelaugt, also mit Wasser herausgewaschen und gefiltert wurde. Außerdem besaßen sie Reedereien mit gleich mehreren Großseglern, die das fertige Produkt nach Europa brachten. Der Hamburger Hafen war hierfür einer der größten Umschlagplätze in der Alten Welt.

Werbeplakat für Dünger

um Kap Horn im Winter

Seeweg um Kap Horn

Um den Salpeter von Chile nach Hamburg zu bringen, wurde die Drake-Passage ums Kap Horn herum genutzt, da der Panamakanal erst 1914 auf gesamter Länge zu befahren war. Die Magellanstraße (und auch der Beagle-Kanal) kam nicht in Frage, da sie zwar tief genug ist, aber durch die geologische Struktur mit steilen Berghängen und tiefen Schluchten, ein Venturi-Effekt entsteht, der Winde von West nach Ost in Orkanstärke entstehen lässt. Die Wellenhöhe erreicht hier nicht die gewaltigen Ausmaße, wie um Kap Horn, aber die Breite der Wasserstraße ließ nicht genug Platz, um gegen Winde dieser Stärke anzukreuzen - die damaligen Segler besaßen noch keine Maschinen, um einfach dagegen an zu motoren. Hinzu kam, dass die Magellanstraße sehr verwinkelt ist und viele kleine Inseln umfasst, die gerade nachts gefährliche Hindernisse für die Schiffe darstellten - es gab weder GPS noch Radar.
Um Kap Hoorn herum wehen die vorherrschenden Winde von West nach Ost, also zumindest auf dem Hinweg entgegen der Fahrtrichtung. Die auch Roaring Fourties und Furious Fifties genannten Winde, besitzen meistens Sturmstärke und bauen eine hohe bis sehr hohe See auf. Die Wasser- und Lufttemperaturen sind auch im Sommer kühl. Im Winter friert das Meer oft bis um Feuerland herum zu, so dass keine Passage möglich ist. Ist das Wasser offen, muss soweit Richtung Antarktis gekreuzt werden, um gegen Wind und Welle anzukommen, dass eine hohe Gefahr besteht auf Eisberge zu treffen – wie gesagt, alles ohne Radar. Unter diesen Bedingungen friert das Rigg, das Deck und eigentlich alles, was außen am Schiff ist, unter zentimeterdickem Eis ein. Man muss bedenken, dass die Bekleidung der damaligen Seemänner nicht aus den heutigen High-Tech-Materialien bestand. Aber auch damit ist eine Umsegelung Feuerlands nicht gemütlich.
Eine Salpeterfahrt war eine Tortur für Mann und Material und sehr gefährlich. Einen traurigen Rekord stellte im Winter 1905 das deutsche Vollschiff Susanna der Reederei Siemers & Co auf. Aufgrund der in diesem Jahr besonders harten Westwinde brauchte sie 99 Tage für die Umrundung, mit hohen Ausfällen in der Mannschaft. Für Besatzung und Schiff wäre es sicher besser gewesen, eine zweimonatige Überwinterung in Ushuaia, Feuerland, in Erwägung zu ziehen. Das hätte nicht mehr Zeit gekostet und wäre für die Männer nicht so ermüdend gewesen. Hingegen brauchten die Schiffe, die nach Europa segelten, in diesem Winter nur 8 Tage für die Umsegelung.


- Das Ende der Salpeterfahrt

Historisch betrachtet, waren hauptsächlich drei Faktoren dafür von Bedeutung:


- Großsegler vor Helgoland

Bei der diesjährigen Nordsee - Expedition liegt das Hauptaugenmerk auf zwei Wracks, die südöstlich von Helgoland gefunden wurden. Wrack A liegt etwa 1,5 NM und Wrack B etwa 6 NM vor der Insel auf circa 25-30 m Tiefe.

Untergangsstellen

Abb. 1: Seekartenausschnitt von Helgoland mit ungefähren Positionen von Wrack A und B

Es wird vermutet, dass es sich hierbei um die beiden eisernen/stählernen Großsegler „Four Winds“ und „Falls of Foyers“ handelt.
Bei Recherchen fand man heraus, dass diese beiden Schiffe am 16.01.1899 nahezu gleichzeitig auf die Untiefen südlich von Helgoland-Düne aufgelaufen sind.
Die Four Winds war ein dreimastiges Vollschiff, das sich von Iquique in Chile kommend, mit einer Ladung Salpeter auf dem Weg nach Hamburg befand. Sie hatte gegen halb sieben Uhr abends Grundberührung, woraufhin Notsignale gezeigt wurden, da das Schiff sich sehr schnell mit Meerwasser füllte.
Gleichzeitig wurden ein Rettungsboot und ein Beiboot ausgesetzt, um Frau und Kind des Kapitäns und die Mannschaft zu retten. Die durch die Notsignale gerufenen Lotsen kamen mit einem Ruderboot mit 14 Mann Besatzung zur Hilfe und nahmen 9 Mann der Mannschaft und Frau und Tochter des Kapitäns auf.
Um halb neun Uhr abends landete dies auf Helgoland an. Die gesamte Besatzung, inklusive des Kapitäns und seiner Familie wurden gerettet. Alle Papiere und persönlicher Besitz sind mit untergegangen. In der Nacht kenterte die Four Winds und lag dann auf etwa 8 m Tiefe, weshalb am nächsten Morgen vom Schiff noch einige Teile zu sehen waren. Sie stellte dort ein gefährliches Hindernis für die Schifffahrt dar.
Wrack A liegt an der heutigen Stelle auf 25 m. Auf dem Sonarbild kann man deutlich drei Masten ausmachen, weshalb es sich um die Four Winds handeln könnte.

Die Falls of Foyers, ein viermastiges Vollschiff, das sich genauso wie die Four Winds mit einer Ladung Salpeter von Junin in Chile auf dem Weg nach Hamburg befand, hatte mehrfach Grundberührung. Das erste Mal um etwa viertel vor zehn Uhr abends, kurz nachdem sie die gestrandete Four Winds passiert hatte, die irrtümlich für ein wartendes, beigedrehtes Schiff gehalten wurde. Es wurden Notsignale abgegeben, woraufhin zwei mit Rettungsmannschaften besetzte Boote von Helgoland kamen. Da das Schiff aber noch nicht leckgeschlagen war, wollte weder der Kapitän noch seine Mannschaft die Falls of Foyers verlassen.
Die Rettungsmannschaften mussten unverrichteter Dinge wieder an Land fahren, weil die See zu hoch wurde, um vor Ort zu warten. Bald darauf kam das Schiff frei, lief aber erneut auf Grund und kam abermals frei.
Nachdem die Falls of Foyers um 1 Uhr nachts vor Anker gebracht war, wurde Meerwasser in der Bilge festgestellt, welches schon etwa 1,3 m hoch stand. Erneut gab man Notsignale ab und versuchte durch Pumpen den Wasserstand niedrig zu halten, was nicht gelang. Außerdem setzte man ein Beiboot mit fünf Mann aus, das sich wegen der Brandung aber nicht halten konnte und bald abtrieb. Die Helgoländer Rettungsmannschaften konnten wegen des jetzt steifen Windes und des starken Seegangs nicht nochmal zur Hilfe kommen, weshalb um viertel vor drei Uhr morgens das Schiffsboot ausgebracht wurde und Mannschaft und Kapitän ihr Schiff aufgeben mussten. Infolge des stürmischen Wetters und des hohen Seeganges gelang es weder der Besatzung des Schiffsbootes noch der des Beibootes Helgoland zu erreichen.
Am Morgen des 17. Januar, um halb neun, wurde das Schiffsboot gesichtet und die Besatzung abgeborgen. Eine nachfolgende Suche nach dem Beiboot verlief ergebnislos. Um zwei Uhr nachmittags konnte dieser Teil der Mannschaft in Cuxhaven an Land gehen. Die Besatzung des Beiboots musste leider noch bis vier Uhr nachmittags warten, bis sie von einem Schlepper gefunden wurden und dort, völlig erschöpft, an Bord gehen konnten.
Auch hier überlebte die gesamte Mannschaft das Unglück. Die Falls of Foyers sank in der Nacht vor Anker liegend auf etwas mehr als 30 Meter. Am nächsten Morgen ragte noch eine Rah mit Segel ungefähr 3 m aus dem Wasser, wodurch auch dieses Wrack ein gefährliches Hindernis für die Schifffahrt darstellte. Wrack B liegt mit gezogenen Masten auf 31 m, weshalb die Annahme naheliegt, dass es sich um die Falls of Foyers handelt.
Beide Großsegler waren auf der Suche nach Elblotsenschonern, denen sie an diesem Tag aber nicht begegneten. Die Strandungen der beiden Schiffe zogen Kreise bis in die Reichskanzlei in Berlin. Auf die folgenden Untersuchungen hin wurden Maßnahmen ergriffen, um solche Vorfälle zukünftig möglichst zu vermeiden. Unter Anderem wurde ein neuer Lotsenschoner in Dienst genommen und eine neue Lotsenstation eingerichtet.

- Wetterverhältnisse und Umgebungsbedingungen am 16./17.01.1899

Durch die Wetterverhältnisse gestaltete sich die Rettung schwierig.
Die Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes für diesen Tag lassen vermuten, dass zum Zeitpunkt der Strandungen eine frische Brise wehte und das Wetter für die Jahreszeit zu warm war. Über Nacht würde sich ein starker Wind entwickeln. In Zahlen bedeutet das 5-6 Beaufort, in Böen 7 Bf (etwa 20- 30 kn Windgeschwindigkeit), eine grobe See mit einer Wellenhöhe von etwa 2,5-4 Metern und um die 6 Grad Lufttemperatur. Der Wind kam aus WSW und somit aus einem guten Winkel für eine Fahrt durch den Ärmelkanal. Bestes Segelwetter für so große Schiffe auf offener See, aber kühl für menschliches Empfinden – und nur dann gut, wenn man sich auf einem voll funktionstüchtigen, großen Schiff befindet.
Allerdings werden Wellen, die auf Land auflaufen, wesentlich höher, steiler und vor allem kurzwelliger. Was bedeutet, um die havarierten Schiffe herum muss es sich wie ein Orkan angefühlt haben. Außerdem war es dunkel, denn im Januar geht die Sonne schon am frühen Nachmittag unter und der Himmel war bedeckt. Auch elektrisches Licht stand damals nicht zur Verfügung. Das machte es extrem schwierig die damals üblichen, offenen, hölzernen Rettungsboote ins Wasser zu lassen, geschweige denn ein kleineres Beiboot. Das Lotsenboot, auch ein offenes Ruderboot, versuchte gar nicht erst längsseits zu kommen, da dadurch die eine Hälfte der Riemen wegfallen würde und es in der schweren Brandung unmöglich wäre zu navigieren.
Somit konnte keiner trockenen Fußes in die Boote kommen – bei starkem Wind mit noch stärkeren Böen und der daraus resultierenden Gischt, nur 6 Grad Lufttemperatur und wahrscheinlich noch kälteren Wassertemperaturen. Was zur Folge hatte, dass Retter sowie Gerettete drohten stark zu unterkühlen und sich mit klammen, steifen Händen festhalten mussten, um auf den nassen, schwankenden Planken nicht auszurutschen und ins Wasser zu fallen, was unweigerlich zum Tod durch Ertrinken geführt hätte.
Trotz der Umstände ist niemand umgekommen, was sicher der Erfahrung der Seemänner anzurechnen ist. Der Mut und das seemännische Können der Rettungsmannschaften und der zur Hilfe eilenden Schlepper verdient hierfür vollen Respekt.


Four Winds

Four Winds

Die Four Winds ist ein Großsegler mit drei Masten und ohne Maschine, mit eisernem Rumpf.
Gebaut wurde sie auf der Werft Palmer´s Ship Building & Iron Co. Ltd. in Jarrow, Newcastle (Nordengland), im Auftrag der Reederei GN Gardiner & Co. Liverpool.
Diese Reederei gehörte ab 1899 Thomas Shute, der sie in The Ship „Four Winds“ Co. Ltd. Liverpool umbenannte.
Eine seiner Schwestern, wahrscheinlich Emily, wird im Bericht des Seeamts zu Hamburg zu dieser seeamtlichen Untersuchung als Eignerin angeführt.

- Schiffsdaten:
Die Four Winds lief am 3. Oktober 1898 aus dem Hafen von Iquique in Chile aus, um eine Ladung Salpeter nach Hamburg in Deutschland zu bringen. Das Schiff war nach Aussage der Besatzung den ganzen Weg über voll seetüchtig, bis es am 16. Januar 1899 vor Helgoland sank.
* Das Kreuz kennzeichnet, dass das Schiff unter besonderer Aufsicht erbaut wurde. Die Bewertung A wurde für die eisernen Schiffsrümpfe vergeben und die Bewertung 1 stand für die Schiffsausstattung (Masten, Takelage usw.).


Falls of Foyers

Falls of Foyers

Die Falls of Foyers wurde in der Werft Russell & Co Greenock Yard Cartsdyke West in Greenock, Schottland,
im Auftrag der Reederei Falls Line Company Glasgow (Wright & Breakenridge) gebaut, um dort hauptsächlich im Jutehandel im Indischen Ozean eingesetzt zu werden.
Zwei Monate nach Kiellegung wurde die The Ship "Falls of Orchy" Co Ltd. unter der Führung von Michael Breakenridge Eigner der Falls of Foyers.
Zum Zeitpunkt der Strandung gehörte das Schiff der Reederei Wright Graham & Co Ltd., die daraus hervorgegangen war und für die sie
im Salpeterhandel zwischen Südamerika und Europa eingesetzt wurde.

- Schiffsdaten:

Die Falls of Foyers lief am 18. September 1898 aus dem Hafen von Junin in Chile mit einer Ladung Salpeter aus. Sie war auf dem Weg nach Hamburg in Deutschland, als sie am 16. Januar 1899 vor Helgoland sank.
Das Schiff war ein Großsegler mit eisernem Rumpf und vier Masten, ohne Maschine. Ihre Beriggung bestand aus einem Standardrigg mit Kreuzmast. Die Segel waren einfache Mars- & Bramsegel und Royalsegel.
Das Schiff war eins von neun Viermast-Vollschiffen aus der Glasgow Falls Line, die von Wright & Breakenridge in Auftrag gegeben wurde. Das erste in dieser Serie gebaute Schiff ist die Falls of Clyde, die auch heute noch existiert. Sie lag bisher beim Hawaii Maritime Center im Hafen von Honolulu auf Oahu und wird von den Friends of Falls of Clyde verwaltet. In diesem Jahr soll die Falls of Clyde nach Schottland überführt werden.

Quellenangabe:
Abenteuer Salpeter - Edition Falkenberg
Windjammer - K.Müller Verlag
Fotoquellen: dmh, Internet.


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